Industriearchitektur. Das Industriedenkmal als technisch-architektonisches Werk und als Identität eines Ortes

Das Forschungszentrum begann am 1. März 2016 seine Arbeit an einem neuen fünfjährigem Projekt, das im Rahmen des Programms Angewandte Forschung und Entwicklung nationaler und kultureller Identität des Kulturministeriums der Tschechischen Republik – NAKI II – gefördert wird.

Das Projekt schließt unmittelbar an die Ergebnisse des Projektes NAKI Industrie-Topografie der Tschechischen Republik (2011–2014) an, nutzt dessen Datenbank und führt diese weiter. Die wertende und zusammenführende Forschung stellt eine strukturierte Auswahl von beispielhaften Denkmalen des industriellen Erbes und ihrer typischen Situation als spezialisierte Karte mit fachlichem Inhalt, begleitenden Ausstellungen und Monografien zur Verfügung. Sie schöpft aus der Interpretation der industriellen Objekte oder ihrer Ensemble und formuliert deren allgemeinen kulturellen Wert. Dafür werden zwei methodische Leitlinien genutzt:

Die Hauptleitlinie liegt im allgemeinen Prinzip ihrer Entstehung, das zugleich auch das grundlegende Prinzip der industriellen Zivilisation ist – die Rationalisierung des Entwerfens und des Durchführens, die Spezialisierung im Schöpfungsprozess, Typisierung und der globale Transfer von Erfahrungen. Diese Linie begreift Industriebauten als komplexes, individuelles, technisch-architektonisches Werk und verfolgt vor allem den Prozess ihres Entwurfs, ihres Ursprungs beziehungsweise ihrer Autorenschaft, und das zwingenderweise im europäischen Kontext. Sie befasst sich mit der Arbeit der europäischen, spezialisierten Projektierungsbüros, die auf dem Gebiet der Tschechischen Republik richtungsweisend waren. Aber sie widmet sich auch jenen, die dann hier diese Verfahren weiter entwickelten. Dazu gehört die Projektierungstätigkeit von Baufirmen, vor allem im Bereich der Stahlbetonkonstruktionen, die schnell ein sehr hohes Niveau erreichte. Es bezieht das wissenschaftliche Vorgehen in der Entwurfspraxis genossenschaftlicher und staatlicher Organisationen beim Bau technischer und Verkehrsinfrastruktur des Landes, und in der Nachkriegszeit auch beim Bau der industriellen Infrastruktur, mit ein. Die Erkenntnisse sollen auf einer internationalen Konferenz 2018 zur Diskussion gestellt und anschließend zusammengefasst publiziert werden. Die bedeutendsten Bauten und Areale in der Tschechischen Republik werden auf einer spezialisierten Karte festgehalten und zum Abschluss des Projektes im Rahmen einer Ausstellung mit einer repräsentativen, mehrsprachigen Publikation vorgestellt.

Eine komplementäre Linie verfolgt die einzigartige und meist diskontinuale bauliche Entwicklung von industriellen Anlagen, begreift sie als Teil eines heterogenen Ensembles, dessen Funktion(en) sich in kritischen Zeiten ändern und in der postindustriellen Ära verschwinden. Damit charakterisiert sie das Entwicklungspotential für die Erhaltung der Identität eines konkreten Ortes. Deshalb wird die Erfassung und die Reflexion ihrer heutigen historischen Situation sowie eine Auswahl der inspirierendsten Beispiele zum weiteren Thema, das eine Ausstellung und Publikation im dritten Jahr des Projektes vorstellt.

Beide Linien überschneiden sich im Verständnis ihrer inneren, gegensätzlichen Werte, die konkrete Industriebauten und Anlagen des industriellen Erbes in ihrer heutigen Situation vorstellen, unentbehrlich für die Findung eines dementsprechenden, denkmalpflegerischen und doch gleichzeitig schöpferischen, urbanistischen und architektonischen Konzepts zu ihrer weiteren Nutzung.

Projektleiter: Mgr. Lukáš Beran, Ph.D.

Mitarbeiter: Mgr. Jan Zikmund; PhDr. Benjamin Fragner; Mgr. Irena Lehkoživová; Mgr. Jakub Potůček; doc. Ing. arch. Petr Vorlík, Ph.D.; Mgr. Magdalena Tayerlová

Industrie-Topografie

Industrie-Topografie der Tschechischen Republik – eine neue Nutzung des industriellen Erbes als Teil der nationalen und kulturellen Identität – war das Thema eines vierjährigen Forschungsprojekts des Kulturministeriums der Tschechischen Republik im Rahmen des Programms NAKI (Nationale und Kulturelle Identität). Für die Durchführung des Projektes war in den Jahren 2011 bis 2014 das Forschungszentrum für Industriedenkmale der Fakultät Architektur an der Technischen Universität in Prag (ČVUT) verantwortlich. Es konnte so unmittelbar auf das wachsende Interesse für ein bisher eher der Aufmerksamkeit entgangenes Thema des Kulturerbes reagieren und ermöglichte Objekte des industriellen Erbes in den einzelnen Kreisen der Tschechischen Republik systematisch aufzunehmen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Wie die letzten Jahrgänge der Konferenz im Rahmen der Biennale Spuren der Industrie zeigten, ist es ein spannendes Thema mit einem hohen Entwicklungspotential – von der Möglichkeit einer Umnutzung der wesenseigenen Industriebauten für heutige Zwecke bis hin zum Ziel für Touristik und Freizeitaktivitäten. Heute gewinnt die Industrietouristik immer mehr an Popularität, sie bietet neues Wissen zur Lokalgeschichte, ungewöhnliche Erlebnisse und Entdeckungen. Dies ist eine außergewöhnliche Gelegenheit für die Popularisierung und die Imagepflege von Regionen. Das Ziel des Projektes war deshalb nicht nur, die Erinnerung an die Vergangenheit festzuhalten, sondern dieses wertvolle Kapital – das von der industriellen Ära hinterlassene Erbe – neu zu nutzen.

Zu den vielen praktischen Ergebnissen des Projektes gehören verschiedene Publikationen und informative, thematische Übersichten sowie digitale Karten, die sich auf die Möglichkeiten einer Wieder- bzw. Umnutzung des industriellen Erbes richten.

Für das Projekt entwickelte das Forschungszentrum eine Datenbank, die methodisch, inhaltlich und grafisch an die vorher herausgegebene, erfolgreiche und heute vielfach vergriffene Publikationsreihe zu Industriedenkmalen anknüpft. Diese ist vor allem für staatliche und Gemeindeverwaltungen, private Investoren und die Tourismusbranche gedacht. Aber auch einer breiten Öffentlichkeit bieten diese Publikationen interessantes Wissen auf Bildungsreisen und erweitern die allgemein bekannten Informationen über die besuchten Orte.

Die elektronische Version der Publikationen ist auf den Internetseiten www.industrialnitopografie.cz zu finden und ermöglicht eine Verbindung von weiterführenden Informationen und dem Kartenmaterial.

Das war allerdings nur ein Teil des Projekts. Anknüpfend daran wurden Nutzungsstudien von Objekten und komparative Studien zu verschiedenen Umnutzungsvarianten angefertigt und ihr architektonischer sowie ihr Denkmalwert untersucht.

Die Ergebnisse der vertiefenden Diskussionen und der Vergleich mit Vorgehensweisen im Ausland wurden auf der Ausstellung Architekturen der Konversion zum Jahreswechsel  2014 und 2015 zusammengefasst vorgestellt.